Bericht von Walter Laserer

Am Anfang stand der Schneefall, am Anfang der Saison wohlgemerkt. Alagna hatte als erstes Gebiet im vergangenen Winter richtig viel von der weißen Pracht abgekriegt. Dies hatte zur Folge, dass die Lawinensituation während des letzten Winters im Großen und Ganzen als sehr gut zu bezeichnen war.

Im Gegensatz zu den vorangegangenen Gruppen habe ich die letzte Gruppe persönlich geführt. Wetterbericht und Schneelage versprachen von Beginn an ein Woche „Alles drin!“ – und so ist es auch gekommen.

Der Montag brachte uns traumhaftes Wetter, Sonnenschein und Temperaturen, die auch jenseits der 3500 m Marke perfekte Firnabfahrten versprachen. Wir begannen dann auch mit der klassischen Abfahrt von der Punta Indren. Natürlich am Vormittag nach Osten, also in die Balma. Wir wurden nicht enttäuscht. Wie erwartet hatten wir von oben bis unter 2000 m herrlichen Firn. Eine Querung brachte uns zurück in das Skigebiet, denn für eine Abfahrt zum Rifugio Pastore und zurück nach Alagna war die Schneelage unter 1700 m bereits zu schwach. Schon der Mittag sah uns also wieder zurück auf über 3500 m, diesmal nahmen wir aber von der Bergstation der Punta Indren die Felle zu Hilfe.

Ich wusste, dass wir gegen 14:00 Uhr spätestens die SO-Hänge in der Höhenlage zwischen 2500 und 3500 m befahren sollten, wollten wir auch bei unserer zweiten großen Abfahrt heute perfekten Firn genießen. Und das Pokern mit Sonne, Höhe und Hangneigung ging voll auf. Wir konnten Hang um Hang im schönsten Frühjahrsfirn abwärts schwingen.

Ja und wie in Alagna üblich gab‘s dann zum nach „Hause fahren“ noch die obligate, fast 2000 Hm Abfahrt durch das Val d´Olen zurück ins Tal. Der erste Tag war also voll aufgegangen.

Der nächste Tag brachte zunächst lange Gesichter. Dichte Wolken füllten den Talschluß und in der Seilbahn auf den Salati steckten wir bald schon in dichtem Nebel. Plötzlich stießen wir durch die Wolkendecke und strahlender Sonnenschein eines makellos blauen Himmels umgab uns. Sofort änderte ich das geplante Programm und wir montierten bei ungewöhnlich warmen Temperaturen die Felle. Die nächsten zwei Stunden stiegen wir Richtung Punta Giordani auf und auf 3600 m machten wir eine gemütliche Pause. Als der Firn die richtige Konsistenz erwarten ließ, schnallten wir die Ski an und machten uns an die Abfahrt über 1800 hm hinunter ins Val Salza. Firn so weit das Auge reicht belohnte uns für die Mühen des Aufstiegs. Doch ganz unten wurden wir dann doch noch „Opfer der Tageserwärmung“. Besonders die Schwergewichte unter uns brachen bei nicht exaktem Belasten beider Skier sofort bis zum Schuhrand in den „Batz“ ein. Nach der Moräne hatten wir noch etwas Glück, da hier die vielen Spuren auf ein schmales „Waldbahnl“ zusammenführten. Der solcherart komprimierte Schnee trug wieder und rasch erreichten wir so das Wasserbassin. Nun war aber endgültig Schluss und wir trugen die Skier in wenigen Minuten bis zur Talabfahrt von der Betaforca hinaus.

Am dritten Tag drehte das Wetter endgültig um. Wir erreichten den Passo Salati in dichtem Nebel. Ich kannte das Gebiet so gut, dass das Auffinden der Abzweigung zum Passo Zube kein Problem darstellte. Die Sichtweite ging nur unwesentlich weiter als bis zu den Skispitzen. Im vollen Bewusstsein, dass Nebel die größte Lawinengefahr darstellt, entschied ich mich dann doch für den wesentlich flacheren Col d´Olen. Kurz vor Erreichen des Passes warteten wir noch etwas bessere Sicht ab, um nicht im Nebel in ein unerkanntes Triebschneepaket zu rennen. Die Abfahrt im guten Firn glich dann aber doch mehr einer „Tastfahrt von Blinden“. Schneller als gedacht erreichten wir wieder die Piste und am Nachmittag testeten wir noch unsere Tourenskier auf ihr „Carvingverhalten“. Perfekter Firn und optimale Steilheit kombiniert mit leeren Pisten machten den Spass komplett.

Dass wir in dieser Woche „Alles drin“ haben würden, bewahrheitete sich am nächsten Tag. 50 cm Neuschnee auf 3000 m und genug Sicht waren die Zutaten. Nach einem kurzen „Antesten“ am Pistenrand genossen wir den Powder in der „Stolenberg“ Variante. Wir nutzten die halbwegs brauchbaren Sichtverhältnisse optimal und brachten es so noch auf rund 2500 Hm Powder.

Entgültig Schluss war es dann aber am letzten Tag. Gut ein Meter Neuschnee, garniert mit Regen bis auf 3000m ließ die Lawinengefahr auf Stufe 4 schnellen und die meisten Pisten wurden gesperrt. Damit war mit Geländeskifahren Schluss. Richtig interessant war an diesem Tag das lawinenkundliche Verifizieren des Lawinenlageberichtes.

Wir machten ein Schneeprofil und einen kleinen Blocktest. Die Schneedecke war bis weit hinein vom Regen völlig durchfeuchtet und vom Powder keine Spur zu entdecken. Als wir dann noch intensiv die Piepssuche inklusive Mehrfachverschüttungen übten, lichtete sich der Nebel etwas und wir konnten praktisch im Minutentakt den Lawinen zuschauen. Der letzte Tag war somit wirklich ein klassischer Anschauungsunterricht in Sachen Lawinenkunde.

Alles in Allem hatten wir in dieser Woche wirklich tatsächlich „Alles drin“.